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Aus reiner Neugier: Thomas Düllo
Thomas Düllo

Herr Düllo, woran arbeiten Sie zur Zeit?

An zwei Buchprojekten für die die nächsten zwei Jahren: Erstens eine kleine Monografie über „Skizzogramme“ – eine Mischung aus Skizze und Diagramm, also aus Hingekritzeltem und einem Ordnungsbild als Entwurf. In Literatur, Musik und Zeichnungen. Namen, die häufig fallen werden: Pessoa, Mayröcker, Dyer, Espedal, Perec, Derrida, D. H. Lawrence, Aira, Cortázar, Valéry, Handke und Tim Buckley, John Martyn, Laura Nyro, Michael Chapman, Robert Wyatt, Laura Marling, Kendrick Lamar, Sun Kil Moon sowie A. Warburg, R. Venturi, A. Töpfer, J. Berger, C. Twombly, E. Ruscha.
Zweitens ein Buchprojekt zusammen mit meinem Kollegen, Christian Blümelhuber, über „Formen aus Formen“. Theoretisches über die Transformation von Formen und über Formatwechsel. Mit einem Dutzend Fallbeispielen.
Und meine Reihe „texturen“ geht auch mit den Bänden 5 und 6 in diesem Jahr in die nächste Runde. Vielleicht mit neuem Verlagskonzept?

Was ist für Sie die wichtigste Entdeckung?

Wenn ich mich jetzt nicht auf technische Innovationen beschränken muss, dann lautet die Antwort: die Entdeckung der Zwischenweltlichkeit für den Menschen, also die Fähigkeit, durch Distanz, Indirektheit und Umwege (Sprache, Medien, Werkzeuge, Theorien), also durch Mittelbarkeit Wege zur Unmittelbarkeit erschließen zu können.

Was lernen Sie gerade, was Sie noch nicht so gut können?

Norwegisch. Ich habe erst Level A1 und ein Lehrbuch fast abgeschlossen – per Einzelunterricht. Hier weiter zu kommen, ist das große Ziel für dieses Jahr. Ich wohne ja – als Pensionist – mit meiner Frau seit Dezember 2019 in Oslo.

Wenn Sie nicht Wissenschaftler wären, was wären Sie dann?

Meine Frau sagt: „ein Ball“. Da ist was dran. Wenn ich jetzt sagen würde, Innenarchitekt, träfe ich die Frage nicht, das ist ja auch was Akademisches. Und „Raumausstatter“, damit verbindet man ja nur Schlimmstes, und das war ja schon Lothar Matthäus. Und auch der konnte da wohl besser mit Bällen.

Was würden Sie ihrem Ich heute zu Beginn des Studiums raten?

Lege Dir eine Themenpark an, den Du über Jahre pflegst, der zwischen Privatinteresse, Studieninhalten und eigenen Fähigkeiten vermittelt. Wenn die eigene Person dann für eine erkennbare „Autor- oder Werkschaft“ von kultiviertem Interesse und Initiative steht, wird sich der Rest ergeben: Studienabschluss, Berufsoptionen, Partnerschaft(en). So wäre meine Antwort an Studenten.
Jetzt sehe ich erst, die Frage betrifft ja mein „Ich“. Antwort bleibt, aber ich ergänze: Neben einem Studium zur Erschließung und Deutung von ästhetischem Material (Literaturwissenschaft, Kunstgeschichte) und ein paar Semestern anständiger Theoriearbeit hätte eine Fremdsprache und/oder etwas weniger Spekulatives, mehr Konzeptionelles zumindest für ein paar Semester dabei sein sollen (wie Architektur oder Geopolitik) – und unbedingt 1 Jahr ins Ausland. Hat man früher ja nicht so gemacht wie heute.

Ist Bücherschreiben noch zeitgemäß?

Vielleicht nein, aber alternativlos, wenn man gebündelt einen Sachverhalt und ein paar interessante Denkfiguren kohärent entwickeln will – im Kontext welcher Art von Empirie auch immer. Peer reviewte Beiträge sind wichtig, aber strukturkonservativ. Digitale Formate sind kommunikativ und schnell, entfalten aber nicht mit längerem Atem stringente bis wilde Weisen der Werterzeugung so wie Bücher. Man muss das nicht als ein Entweder-Oder diskutieren.

Braucht die Wissenschaft Verlage?

Anders kann ich es mir nicht vorstellen. Self publishing oder ähnliches: auch gut, und das entwickelt sich, ersetzt aber keine solide und vertrauensvolle Verlagsarbeit.

Prof. Dr. Thomas Düllo: Erst Lehrer, dann Journalist. Gestartet als Literaturwissenschaftler, konvertiert zum Kulturwissenschaftler. Promotion über Joseph Roth, Habilitation über „Transformation und Kompetenzbildung“. Lehr- und Forschungsstationen: Münster (Studiengangsleitung: Angewandte Kulturwissenschaften), Magdeburg (Studiengangsleitung: Cultural Engineering). Von 2009 bis 2019 Hochschullehrer an der Universität der Künste Berlin am ITPK und im Studiengang GWK. Im Fokus von Forschung, Lehre und Publikationen: Text, Kontext & Narration; Praxiszugänge und Praxistheorie; Materialität der Kommunikation; das Wissen der Künste und ihre Vermittlung; kulturwissenschaftliche Konsumforschung; Lesarten des städtischen Raums & der Popular Culture; Transformationsforschung.
Jan Standke, Thomas Düllo [Hrsg.]: Theorie und Praxis der Kulturwissenschaften
Franz Liebl, Thomas Düllo:  Strategie als Kultivierung
Thomas Düllo, Flóra Tálasi, Jürgen van Buer, Cornelia Wagner-Herrbach (Hrsg.): Das Studium Generale als Einübung in Paradoxien. Diskurse, Verortungen und Schaustücke
Körpern. texturen, Bd. 8